Ritterschlag
Nr. 1 der Welt-Jahresbestenliste, Nr. 14 im All-Time-Ranking!
Speerwurf-Europameisterin Victoria Hudson gab sich sichtlich Mühe, um ihrer Mutter Elisabeth am Telefon die Wertigkeit der neuen Welt-Jahresbestleistung bzw. des neuen ÖLV-Rekords von 67,76 m zu erklären. "In der Mitte einer WM-Saison die Welt-Jahresbestenliste anzuführen, das schaffen nicht viele, das ist schon ein Ritterschlag." Ein Blick auf die ewige Bestenliste - seit der Weltverband Aufzeichnungen über Rekordweiten führt - sagt mehr als tausend Worte. Mit dem Wurf von Samstagabend in Marburg klettert die 29-Jährige auf Platz 14. Und in der Welt-Jahresbestenliste ist die SVS-Schwechat-Athletin jetzt die Nummer eins von insgesamt 1.912 geführten Athletinnen.
Wie schätzt du jetzt mit etwas Abstand - nach einer Nacht - deinen Rekord-Wurf ein?
Victoria Hudson: "Der kommt ganz weit vorne, schließlich kam er komplett ohne Windunterstützung zustande - noch dazu gegen starke Konkurrenz. Ich bin nach wie vor überrascht, dass ich so eine Weite jetzt schon drauf habe. Eigentlich gab es keine Anzeichen im Training, dass ich schon so weit bin. Schließlich hatte ich ja die Rückenprobleme, war danach auch noch krank. Aber das ist vielleicht auch das Geheimnis: Ich konnte relativ unbeschwert antreten, habe mich nicht groß unter Druck gesetzt. In St. Pölten, vor 10 Tagen, hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich auch schon Weiten über 62 m werfen kann. Mit diesem Gefühl bin ich nach Marburg gefahren. Mit einer Weite um die 62 m wäre ich richtig zufrieden gewesen. Aber 67,76 m! - das ist ein Wahnsinn. Nr. 14 der All-Time-List, Nr. 1 im laufenden Jahr bei knapp 2.000 Athletinnen weltweit. Zahlen, die ich nicht für möglich gehalten habe."
Wie waren diese Sekunden vor und nach dem Abwurf im zweiten Versuch? Mit welcher Einstellung bist du angelaufen?
Hudson: "Ich habe seit heuer ein pinkes Notizbuch. Und ich schreibe mir manchmal Gedanken zwischen den Versuchen auf. Die Flugkurve war im 1. Versuch zu flach. Du musst deine Beine mehr einsetzen, viel mehr. Das war das simple Ziel. Diesen Satz hab' ich mir aufgeschrieben: Achte auf Beinarbeit. Und das hat dann richtig gut geklappt. Meine ersten Gedanken nach dem Abwurf waren: Super, der ist sicher über 60 m - damit bin ich zufrieden. Dann hat der Stadionsprecher zu jubeln begonnen..."
Was bedeutet dieser Rekord, diese Welt-Jahresweltbestleistung für den weiteren Saisonverlauf - wird's da Anpassungen geben?
Hudson: "Das besprechen wir in Ruhe. Gregor Högler muss ja Sonntagnachmittag noch Luki (Lukas Weißhaidinger, Diskus-Vize-Europameister) betreuen. Aber klar ist: Wir werden jetzt die nächsten Wochen in aller Ruhe trainieren. Ich habe es schon gestern gesagt: Ich habe ein tolles Team rund um Gregor und Leistungssport Austria in der Südstadt. Sie sind ruhig geblieben, trotz meiner Anfangsprobleme. Und wir werden auch jetzt ruhig bleiben. Wir haben noch 12 Wochen bis zur WM in Tokio. Natürlich zeigt mir der Rekordwurf, dass mich im Training gar nicht so toll fühlen muss, um richtig weit werfen zu können. Und ich brauche auch keine Windunterstützung. Das ist schon ein gutes Gefühl. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, nicht schon im Training meine ganze Kraft zu verpulvern. D.h. meine Trainingsweiten sind nur mit Vorbehalt zu betrachten. Das zahlt sich jetzt aus."